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Ist die Kirche "gerecht"?

Ist die Kirche „gerecht“?
Eine Interview-Aktion auf dem 96. Deutschen Katholikentag in Saarbrücken 2006

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Was kann ein "Portfolio" im Studium leisten?

Im Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Studienreformprozess möchte ich folgenden Vorschlag für die Gestaltung der sogenannten "Modulprüfungen" zur Diskussion stellen:

 Das Lernportfolio im modularisierten Studium
Begriff
Unter „Lernportfolio“ (Lp) versteht man eine von den Studierenden (einzeln oder in Lerngruppen) angelegte Sammlung von Dokumenten, die einen Lernprozess wiedergeben.

Je nach Einsatz kann ein solches Lp einen gesamten Studiengang begleiten (Makro-Ebene), einen Studienabschnitt (Mesoebene, z.B. die Basis- oder Vertiefungsphase innerhalb eines B.A.-Studiums) oder eine einzelne Lehr-Lerneinheit (=Modul, d.h. Mikro-Ebene). Vor allem beim letzteren Einsatz ist ein solches Lp auch als eine adäquate Prüfungsleistung (Modul- bzw. Modulteil-Prüfung) anzusehen.

Inhalt
Anders als in einem „Lerntagebuch“ werden im Lp nicht nur persönliche Zugänge, Voraussetzungen, Lernerfolge, Lernblockaden und neue bzw. unbeantwortet gebliebene Fragen dokumentiert, sondern auch zentrale inhaltliche Aspekte des Lernprozesses (wichtige Texte, Exzerpte, Protokolle, Referate), Reflexion auf den Praxisbezug (Praktikumsberichte, eigene empirische Untersuchungen), Bedeutung des hier dokumentierten Lernschrittes für die eigene Gesamtqualifikation und Elemente der objektivierbaren Ergebnissicherung fließen mit ein.

Methode
In der einschlägigen Fachliteratur findet sich übereinstimmend die folgende Methodik bezüglich des Lp (hier dargestellt nach Th. Haecker, in: forum fortbildung 04/03):

1. Stufe: Context definition

Zunächst wird geklärt und vereinbart, zu welchem Zweck ein Portfolio erstellt wird, welchen Anforderungen es daher genügen soll, welche Ressourcen in welchem Zeitrahmen zur Verfügung stehen, wer in das Portfolio Einsicht nehmen darf und wo es schliesslich verbleiben wird.

2. Stufe: Collection

Parallel zum Verlauf des Moduls beginnt die Arbeits- und Sammelphase. Die Autoren sammeln zunächst alles, was sie im Zusammenhang der Verfolgung der spezifischen Lernziele (in den Lehrveranstaltungen und andernorts) finden und erstellen daraus einen „Container“. Die Sammelphase überspannt das gesamte Projekt (Modul etc.).

3. Stufe: Selection

Daran schließt sich die begründete Auswahl der Dokumente an, die schließlich für die Darstellung der Ergebnisse und des eigenen Lernweges benötig werden und daher im Portfolio verbleiben sollen. Die Kontrollfrage des Auswahlprozesses lautet: „Was würde meinem Portfolio fehlen, wenn ich dieses Dokument nicht aufnehmen würde?“ Damit unmittelbar verbunden ist die

4. Stufe: Reflection

Jedes einzelne Dokument wird mit einer Begleitnotiz (reflection tag) versehen, aus der entweder hervorgeht, welchen Beitrag das Dokument zum inhaltlichen Lernfortschritt leistet oder was es über das eigene Lernen bzw. die situativen Lernbedingungen zeigt. Eines der ersten Dokumente in einem Portfolio ist die schriftliche Fixierung der Projekt-/Lernziele, sowie der «eigenen Zugangsfrage(n)». Erfahrungsgemäss können sich Ziele und Interessen im Verlaufe des Lernprozesses verändern. Notizen, Dokumente und Unterlagen, die solche Ziel- bzw. Interessenveränderungen, aber auch Irr- und Umwege im Lernprozess, nachvollziehbar machen, sind von besonderem Interesse, denn sie sind wesentliche Elemente der reflexiven Aus­einandersetzung mit dem eigenen Lernen.

5. Stufe: Projection

Die fünfte Stufe des Portfolioprozesses besteht in einer Reflexion dieser in vielen Portfolios sichtbar werdenden Einschnitte, Schwellen, Brüche, Sprünge und Hindernisse beim Lernen mit dem Ziel, weitere Perspektiven für das zukünftige Lernen zu entwickeln. Die Autoren ziehen in der Form eines Nachwortes an die Leser Konsequenzen aus den durch die Reflexionen gewonnenen Einsichten über das Thema und die Lernbedingungen.

 Chancen

Portfolioarbeit ist ein kommunikativer Prozess, durch den die Lernenden konsequent angeregt werden, sich mit Kommilitonen, Lehrenden, Experten usw. über den Inhalte, den Stand der Arbeit, sowie Möglichkeiten der Weiterarbeit auszutauschen und zu beraten. Bei diesen Beratungen (Portfoliokonferenzen) erhalten sie Feedback und Unterstützung. Ihre Ergebnisse können schriftlich fixiert und als Dokumente des Lernprozesses mitgesammelt werden.

Eine systematischere reflexive Auseinandersetzung mit den Lernergebnissen und dem Lernprozess ist spätestens dann notwendig, wenn das Portfolio in seine „Präsentationsform“ gebracht wird. Auf der vierten Stufe des Portfolioprozesses wird die Reflexion intensiviert, wobei die Selbstreflexion der Lernenden das Herzstück des Portfolioprozesses darstellt und zugleich das wesentliche Unterscheidungskriterium zwischen Portfolios und anderen Präsentationsformen bildet. Es wird nicht nur über Lerninhalte nachgedacht, sondern auch darüber, wie man vorgegangen ist und wie man die Qualität dessen selbst beurteilt.

Portfolioarbeit ist – wie jede andere Methode auch – auf die entsprechende Haltung seitens der Lehrenden angewiesen. Sie basiert auf der Anerkennung der Lernenden als Subjekte ihres Lernens und auf einem Verständnis von Lernen als einem aktiven Aneignungsprozess. Portfolioarbeit fördert – so zeigt sich in der Praxis – vor allem auch das Lernklima.

Beurteilung
Der Portfolioprozess mündet in die Einreichung des Portfolios und in eine (Kurz-)Prä­sentation von Lernergebnissen und/oder Prozesserfahrungen. Gespräche über Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Fremd- und Selbsteinschätzung des Portfolios und der Präsentation stellen ein weiteres mögliches Prozesselement dar in dem als unabschließbar anzusehenden Prozess des eigenen Lernens.

Eine angemessene Beurteilung von Lernergebnissen und Lernprozessen ist aber nur möglich, wenn man darüber hinaus auch die Bedingungen berücksichtigt, unter denen sie zustande gekommen sind, wenn geklärt wird, wer und was das eigene Lernen gefördert und behindert hat (Metareflexion). Portfolioarbeit als eine Form der „Lernprozesseinschätzung“ zielt somit auf die „Schärfung des situativen Blicks“ beim Lernen.

Im Rahmen eines „modularisierten Studiums“, welches in der Struktur am selbstverantworteten Lernprozess der Lernenden orientiert ist und in der Zielführung die (berufliche) Handlungskompetenz der Studierenden fördern will, erscheint die Methode des Lp als eine der wenigen Formen des „Leistungsnachweises“ diesen beiden genannten Eckpunkten der derzeitigen Studienreform gleichermaßen Rechnung zu tragen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Möglichkeit zur Integration von Theorie- und Praxislernen in einem synthetischen Lernprozess sowie die Redaktion eines integrierten Lernzieles aus den vielschichtigen und eigenständigen Modulanteilen.

 Beispiele für Lp im Hochschulbereich
Uni Trier / Fach: Pädagogik: (Mikro-Ebene)
onlinecampus Ruhr-Uni Bochum: (Mikro- und Meso-Ebene)
Uni Oldenburg: Prüfungsordnung zum BA Mathematik: (Mikro-Ebene)
Uni Zürich: Fachbereich Ur- und Frühgeschichte: (Makro-Ebene)
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